Wenn es denn nur ums Zerstören ginge…

Wie trotzt wenig überzeugender Argumente zu korrekten Einsichten gelangt werden kann, bewies jüngst Christian Reiermann mit einem Essay im SPIEGEL über die Widerstandsfähigkeit des Kapitalismus. Dieser sei „Nicht kaputt zu kriegen“ (Der SPIEGEL, 24/2020, S. 78-79), auch nicht in Zeiten von Corona. Unter den Kapitalismuskritikern macht der Autor von Karl Marx bis Kevin Kühnert (man beachte das Gefälle) eine Ahnenreihe der Untergangspropheten aus, die seit knapp 150 Jahren Irrtum an Irrtum reihten. Weiterlesen

Der Wert der Werte – Über einen Tauschhandel

Nach der Moral wird am Ende gefragt, wenn die Folgen unethischen Verhaltens für jedermann sichtbar sind – das ist ein alter Hut. Als etwa die Kapitalmärkte blühten, in den Jahren vor 2008, hat kaum jemand ethische Abwägungen darüber angestellt, was eigentlich genau in den Banken mit fremder Leute Geld angestellt wird. Derlei Abwägungen hätten das Geschäft ausgebremst, zudem einen stillschweigend eingegangenen Tauschhandel in Frage gestellt. Weiterlesen

Sprachlicher Etikettenschwindel – ein Streifzug

Wörter mit vernebeltem Verweis, mit einem Bezeichneten, das mitunter in sein Gegenteil verkehrt ist, waren an dieser Stelle bereits Thema; dies gleich in Reihe: der humanitäre Einsatz oder die Stabilisierungsmission für den Krieg, das Hilfspaket für die Kreditknechtschaft, das Taschengeld von Staates Gnaden für die rechtmäßige Geldleistung an den Flüchtling. Das Phänomen hat seine Breite – historisch und innerhalb des politischen Spektrums. Anhand weiterer Beispiele soll diese punktuell umrissen werden. Weiterlesen

Schafft die zweite Klasse ab!

Es gibt den reichlich abgewetzten Lenin-Satz, mit den Deutschen sei keine Revolution zu machen, denn bei Stürmung des Bahnhofs würden diese sich noch schnell eine Bahnsteigkarte kaufen. Als wolle er diese Halbherzigkeit seiner Landsleute bestätigen, fängt SPIEGEL-Redakteur Bernd Kramer seine „Rebellion“ (tatsächlich ist es mehr ein Rebelliönchen) damit an, in der ersten Klasse der Deutschen Bahn die Zeitungen zu stibitzen. Weiterlesen

Maxim Biller und die intellektuelle Bescheidenheit

Der Titel dieses Blogs mag zunächst einen fahlen Beigeschmack haben; vielleicht auch dann noch, wenn seine Erläuterung vernommen wurde: Warum sich annähern, anstatt nach letzten Gewissheiten zu suchen? Da kann es nicht schaden, einmal einen Blick auf das Negativ, auf all jene Dinge, die an dieser Stelle keinen Platz finden sollen, zu werfen. Einer der Krawallbrüder des deutschen Feuilletons, Maxim Biller, lieferte für diesen Zweck unlängst ein brauchbares Beispiel in der ZEIT: seitenweise vor Ekel hervorgewürgte Tiraden, Simplifizierungen und unverschämte Vergleiche, adressiert an die politische Linke vergangener und gegenwärtiger Zeiten. Biller verkündet seine Letztwahrheiten mit einem Furor, der für Gegenstimmen, für das Abwägen von Argumenten, keinerlei Platz lässt. Dass ein solches Vorgehen wider jede intellektuelle Bescheidenheit seit Jahrzehnten seine Masche ist, um Aufmerksamkeit zu generieren, macht es nicht besser. Weiterlesen

In der Kinderstube des amerikanischen Traumes

Die Geißelung des Wohlstandsversprechens amerikanischer Prägung ist an dieser Stelle bereits mehrfach en passant vorgenommen worden – auf einer (filmischen) Autofahrt durch Houston und in der Auseinandersetzung mit sozialdemokratischer Politik. Seiner Verlogenheit, nicht seiner historischen Etablierung, galt in den jeweiligen Texten die Aufmerksamkeit. Für die Verankerung des amerikanischen Traumes im kollektiven Bewusstsein der USA spielt die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts eine zentrale Rolle. In dieser Zeit gewinnen sowohl sein Substrat, der Individualismus (in einer radikalen Ausprägung), als auch seine Substanz, das Versprechen, durch das eigene Wirken ein Leben in Wohlstand führen zu können, an Konturen. Weiterlesen

Kopflos im Kapitalismus

Es scheint eine Metonymie die Personalabteilungen vieler Unternehmen zu regieren: „Wir brauchen neue Köpfe!“ Während der Ruf noch durch die sterilen, vollverglasten Konferenzräume hallt, ist der Headhunter bereits aktiv geworden; eine Berufsbezeichnung scheint den Kotau vor einer rhetorischen Figur zu machen. Tatsächlich jedoch steht zu befürchten, dass der gegenwärtige Kapitalismus für deratige sprachliche Feinheiten nichts übrig hat, stattdessen die Forderung nach den „neuen Köpfen“ wörtlich meint. Weiterlesen